Dienstag, November 26, 2019

rammselig

Heute, Ist.
Welttag der Zeitschriften.
Einblick vier
Das passte thematisch hervorragend in mein Tageskonzept.
14:25 Uhr. Hauptbahnhof Gütersloh. 
Verheerende Parkplatzsituation. Nix Neues.
Ich hatte noch fünfzehn Minuten um mich umzusehen nach neuem Stoff für das Blut meiner Venae ceribri.
Dass ich Lindemannfetischistin bin ist sicher schon auffällig geworden.
So war ich auf der Jagd nach dem Interview der Zeitung ↝ Welt.
Aussichtslos. 
Vergriffen. 
Nur online orderbar. 
Nach Abschluss eines Abos. Selbstverständlich.
Machich. Oder nicht.
So griff ich dann zur brandaktuellen Ausgabe des  ↝ Sonic Seducer.
Zehn (10) Seiten Lindemann und Rammstein. Das Versprechen.
Und ein Rammsteinkalender.
Und eine Compact Disc mit dreißig mir völlig unbekannten Songs.
Einen Apfel und ein Ei, hatte ich dabei.
Und so kuckte ich den netten Herren hinter dem Verkaufsthresen, mit dem riesigen Zigarettensortiment, tauschwillig und strahlend an.
Jetzt war sie mein.
Die in Plaste eingepackte Zeitung.
Rammselig
Dann hoch auf Bahnsteig zwei. 
Um 14:50 Uhr sollte der Zug aus Magdeburg eintreffen.
Mit meiner Lebensspenderin darin. 
Die auch dafür sorgte, dass ich immer Bücher hatte und lesen durfte.
Und dafür, dass ich ein Klavier und dementsprechend Unterricht erhielt. 
Bei Frau Germer. Einer Russin.
Sehr sehr liebe Frau. 
Die unendlich viel Geduld mit mir hatte.
Sie nörgelte nur an meinen abgefressenen Fingernägeln herum.

Daran, dass meine Mutti dafür sorgte, dass ich immer machen konnte was ich wollte,liegt das sicher, dass ich so viele Worte in meinem Kopf habe.
Der Musik erlegen bin.
Und russisch sprechen kann. Schto to. Jedenfalls.
Russisch singen natürlich auch.
Jaja. So kommt Eins zum Anderen.

Zeitungen.
Da kam fast gar nix bei mir an verwertbaren, wertvollen Gedanken.
Nach langem herumruminieren weshalb dieses Thema mich so nervt, fiel mir dann ein woran das liegt. 
Dass mir zu Zeitungen am Welttag der Zeitungen nichts sinnvolles einfällt.
Ich bin ein Kind der DDR.
Revolver- und Schmierblätter.
Sowas gab es bei uns nicht.
Bunte Wimmelblätter, die einem das Hirn zersplattern. Keine Hinterlassenschaften in mir.
Wir waren im Matsch und in der Sonne. Bis sie ging. Um wiederzukommen.
Jeden Tag.
Und wenn sie gegangen war, die Sonne.
Dann war ich in meinen Büchern.
Malte.
Oder sang:
busvjegda
busvjeg zonze
busvjegda
busvjeg neba
busvjegda
busvjeg mama
busvjegda
budu ja.

Nun.
Ein paar Eindrücke habe ich doch erhalten. Damals. Als Kind der DDR. Nach langem graben.

↝Bummi. Eine kleine Kindergartenzeitung. Ich erinnere den Bären. Den Bummi. Und dass diese Zeitung Gemütlichkeit verströmte. Dass ich mich im Kindergarten gern damit zurückzog.
Doch wohl nicht auf´s Töpfchen?

↝ Mosaik. Eine Comikzeitung. Da erinnere ich die Abrafaxe. Kann aber kein Gefühl dazu finden.
Comics haben mich noch nie getoucht. Sie machen mich konfus. Ich verstehe diesen Sinn mit den Sprachblasen nicht.
Aber erinnern tue ich diese Hefte. Aus diesem dünnen,pergamentartigem und doch belastbaren Papier.
Mein Bruder las die bestimmt. Klar. War ja n Junge.

↝ Frösi. Da habe ich nur marginale Erinnerungen.
Ich weiß, dass sie immer in der Bibliothek auslag. Und es war etwas zum Basteln darin, was ich ja nicht umsetzen konnte, da die Zeitschrift der Bibliothek gehörte. Also Volkseigentum war.
Otto und Alwin. Man. Das habe ich grad gegoogelt.
WOW. 
Ja doch.
Da kommen doch Erinnerungen.
Und ich schmecke grad Kaugummi.
Ostkaugumi.
Der so knüppelhart war, in der Mitte eine Kerbe hatte und Riffeln seitlich, rosa (oder weiß?) und staubtrocken, rechteckig, so drei mal zwei Zentimeter groß, doch tausendmal leckerer war als der, welchen ich heute manchmal kaue.
Waren die beiden, Otto und Alwin, auch auf das Kaugummipapier gedruckt?
Mir geht's grad sehr gut. Bestimmt ging es mir damals so. Wenn ich in der Frösi las.
Oder einen Kaugummi bekam.
Erinnern ist was Tolles. Tut gut.

↝Volksstimme. Das war und ist die Tageszeitung der Erwachsenen.
Da weiß ich noch wie sie roch und sich anfühlte.
Und dass ich zur Strafe immer Artikel daraus abschreiben musste.
Das passierte sehr häufig. Somit erhielt ich fast täglich ein Update.
Und bildete nicht nur ein schönes Schriftbild aus, sondern eignete mir auch den ein oder anderen Erwachsenenwortschatz an.
Verwendete ich den, sah man mich sehr aufmerksam an. Als würde mit mir etwas nicht stimmen.
Um ehrlich zu sein. Das passiert heute auch noch.
Hin und wieder.

Ansonsten. Bei meiner Tante lag öfter die Zeitschrift ↝ neues Leben.
Das war eine sehr spannendes Magazin.
Die hab ich mir dann stibitzt. Und bin damit in eine Ecke leerstehender Häuser geflüchtet.
Denn ich glaube, ich war noch zu klein, für den Inhalt in dieser Illustrierten. Er war zu illust.
Wenn ich mal groß bin. Dann.
Leerstehende Häuser.
Das war es überhaupt! Diese Gerüche darin. Und diese Spannung, wenn wir in die Fenster stiegen.
Wie ein neues Leben im alten.

Heute.
Lese ich nicht mehr in Zeitungen oder Illustrierten.
Beim Doc vielleicht mal. Wenn niemand da ist, den ich beobachten und physiognomisch auseinandernehmen kann.
Dann sehe ich zu, dass ich einen Spiegel finde.
In dem ich lesen kann.

Doch auf der Reise zu meinen Gedanken dieses Blogeintrages.
Fand ich keine Begeisterung für eine der tausendsechshundertfünfundzwanzig Publikumszeitschriften, welche von den Menschen um mich herum siebenundzwanzigkommaachtzig Millionen Mal gelesen werden und mit Hilfe der Leser ein Umsatz von zwanzigkommasechs Milliarden Euros umgesetzt werden.

Soviel Geld.
Soviel Wissen.

Gestern.
Kaufte ich eine.
Für acht Euro neunundneunzig.
Und was ich fand.
War ein Satz mit X

Do svidanja


Ohrschmeichler

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