Samstag, November 09, 2019

Trinksprüche

Das-Chaos-nimmt-kein-Ende-Tag
oder
Gedenken an den Fall der Mauer zwischen Berlin Ost und West?

Ich kann mich wahrlich schlecht entscheiden.
Ehe ich mich setzte, nach der Arbeit heute, und wo jetzt alle zum Turnen sind.
An einen besonderen Tisch mit zwei Kerzen drauf und einer Tasse kalten Kaffee.
Und mir die Wärmflasche ins Kreuz geschmissen habe.
Musste ich erstmal Ordnung um mich schaffen.
Wo Chaos ist, kann ich nicht sein.
Sein kann ich nur wenn Ordnung ist.
Ordnung ist das halbe Leben. Ist das so´n Ossiding?
Ich bin voll die Chaotin. Behaupte ich.
Ich sei so strukturiert. Behaupten andere.
Chaos.
Mein Ältester sagt immer Schaos. Weil man ja auch Schina und Schemie sagt.
Macht Sinn. Klingt trotzdem panne. Aber schön, dass ich ihn direkt im Ohr habe.
Lange nicht gesehen den langen Schaoten.

Ein Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung und damit der Gegenbegriff zu Kosmos, dem griechischen Begriff für die Ordnung oder das Universum.

Apropros! Ich wollte nochmal nach Münster ins Naturkundemuseum. Was sagt denn der Dienstplan. Wann geht das? Gecheckt!

Lese grad, dass Chaoten auch und unter anderem mit dem Begriff Punk, allerdings in einem mir unliebsamen Kontext, in Verbindung gebracht werden.
Also aber doch Schaotin.

Am Tag des Mauerfalls wars erst nicht chaotisch.
Scheint ja ein neunter November gewesen zu sein.
Wenn heute nicht Tag des Gedenkens an den Fall der Mauer zwischen Ost und West wäre, wüsste ich nicht mehr an welchem Datum dieser Tag stattfand.
Dabei ist das durchaus denkwürdig.
Denn ich hab mir ja den Ablauf ab 19:00 Uhr gemerkt.
Jetzt ist mein kalter Kaffee alle. Was gut ist. Denn Kaffee nach 17:00 Uhr und ich komm nicht in meinen Schlaf.
Ich war mit meinem zwei Jahre jüngeren Bruder allein zu Haus.
Sturmfrei. Chaos. Yeah. Mein Bruder und ich...wir sind wie Geschwister, nur besser.
Der Fernseher lief. Sturmfrei. Natürlich lief der Fernseher. Wir hatten ja sonst nüscht.
Und hätte es in der deutschen demokratischen Republik schon Videorekorder gegeben, und die Eltern schon Pornos, umständlich im Schubfach unten in der Anbauwand, versteckt.
Dann hätten mein Bruder und ich uns an diesem denkwürdigen Abend einen Porno angesehen.
So wie wir das einen Monat nach dem 9.11.1989 später taten.
Zacharias Eichelzupf.
Wow.
Mir war ganz anders .
Damals. 
Vor dreißig Jahren heute um ungefähr diese Zeit.
Hänsel und Gretel da vorm TV im Hause Bepunkt.
Soviel Heimlichkeit in der Weihnachtszeit wird's nie wieder geben können wie da.
Ich weiß das noch und seh uns da bauklötzestaunend vor dem Empfangsgerät sitzen.
Ungefähr am  9.12.89.
Das waren ziemlich verstörende und aufregende Bilder.
Wir mussten uns auch immer merken, wie die Videokassette im Schubfach lag um sie passgenau und unnötig kompliziert wieder zurückzulegen.
Hergott, was für ein Chaos. Herrlich .
Mit dem Fall der Mauer hielt die sexuelle Revolte Einzug im Hause Bepunkt. Jawoll.
Jetzt hatten wir ja statt nüscht.
Alles.

Am 9.11.89 um 20:00 Uhr jedenfalls, da lief die Tagesschau.
Wir haben gar nicht soooooo genau hingesehen, sondern vermutlich schön abgelenkt mit Streichhölzern gespielt.
Aber irgendwas war anders.
Vielleicht klang das, was aus dem TV kam, aufgeregter oder chaotischer als sonst.
Es zog auf jedenfall unser beider ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich, als scharbowskimäßig  ausversehen verkündet wurde :"Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen."...wir raunten, glaube ich, wenn wir gewusst hätten was Raunen ist. 
Alle raunten als dann auf Bildnachfrage: "Was?Wann?", folgte : "Das trifft nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich",
Nnnnjjjjjooooooaaaarrrr.
Sturmfrei for ever.
Dachten wir zwei geschwisterlich mit Glitzern in den Augen und Konfetti im Kopf.
Die Alten sind abjehaun.
Die Mauer (von der wir NULLLLLLL Vorstellung hatten wie die wohl aussieht und wie sich das anfühlt hinter oder vor einer Mauer zu leben- wir hattens ja jut, machste Dir über sowas keene Jedanken als Jungpionier und übberhaupt.Über sowas nich. )

Unsere Eltern waren am späten Nachmittag weggegangen. Zur Schwester meines Stiefvaters.
Zu Besuch.
Zum Kaffee.
Wo es oft auch Goldbrand zum Kaffee gab.
Lustige Zeiten müssen das gewesen sein.
Damals.
Als man sich zum Kaffeetrinken traf.
Und wir hatten den Fernseher an.
Und haben gekokelt.
Mit einem Ohr jeweils an der Wohnungstüre.
Weil wir das NICHT durften. Kokeln.
Deshalb.
Und ich meine, wir hätten fast einohrig am 9.11.89 um 20:00 Uhr verstanden;
 ➢Die Mauer is uff. Eure Eltern sind abjehaun. Die komm nie mehr wuller. Ihr seid ab jetze alleene. Kaffeetrinken is nich. Schönes Leben noch.➣

Das war ne tolle eine Stunde.

Und die Rollenverteilung war indiskutabel sofort klar.
Ich war für eine Stunde die absolute Bestimmerin und Alleinherrscherin im Hause Bepunkt
Punkt.

Bis sich der Schlüssel im Schloss drehte.

Und das schöne kleine Chaos in Ordnung brachte .

Ich liebe Chaos.
Und ich feiere den Tag des Gedenkens an den Fall der Mauer zwischen Berlin Ost und West.

Prost ihr Säcke ...


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