Freitag, April 28, 2023

Menschenfresser

Da musz ich doch gleich innerlich mal leise lachen.

Heute ist Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

Na genau. Eines meines Spezialgebiete. Aber später. Später!

Wie man oben schon sieht, ist auch die schöne deutsche Sprache eines meiner Themen.

Und ich werde sie nun so, wie sie einst gebraucht wurde, ehe sie verhunzt, verballhornd, verstümmelt und damit verfälscht, der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, wieder gebrauchen um mich auszudrücken.

Aus der Sprache entsteht der Gedanke, aus dem Gedanken das Tun.

Das erklärt so vieles, so unendlich vieles! Auch weshalb, nicht nur, ich wohl oft missverstanden oder gar nicht erst verstanden werde.

Na, ich musz doch meine Brille aufsetzen - mit Blaufilter - meine Augen -ich werde alt - Stück für Stück verabschieden sich meine Zellen oder die Fähigkeit derer sich Tag für Tag zu erneuern.

Alt werden - es ist vollkommen in Ordnung - endlich werde ich alt! Es tut gut zu wissen, dasz ich nicht mehr all zu lange unter den hier Wandelnden aushalten musz. Nur der Weg ist noch das Ziel.

Ich befasse mich seit geraumer Zeit mit Friedrich Nietzsche und möchte kurz aus dem Buch " Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten " zitieren.

>> ...dasz aber wenigstens bei dem deutschen Unterricht nicht an Bildung, sondern an etwas anderes gedacht wird, nämlich an die besagt >freie Persönlichkeit< , dürfte aus dem bis jetzt Berichteten wohl deutlich geworden sein. Und so lange die deutschen Gymnasien in der Pflege der deutschen Arbeit, der abscheulichen gewissenlosen Vielschreiberei vorarbeiten, solange sie die allernächste praktische Zucht in Wort und Schrift nicht als heilige Pflicht nehmen, solange sie mit der Muttersprache umgehen, als ob sie nur ein notwendiges Übel, ein toter Leib sei, rechne ich diese Anstalten nicht zu den Institutionen wahrer Bildung..<<

>>...was für eine Aufgabe hätte eine höhere Bildungsanstalt in diesem Punkte, wenn nicht gerade die, autoritativ und mit würdiger Strenge die sprachlich verwilderten Jünglinge zurechtzuleiten und ihnen zuzurufen " Nehmt eure Sprache ernst! Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligen Pflicht bringt, in dem ist auch nicht einmal der Keim einer höheren Bildung vorhanden. Hier kann sich zeigen, wie hoch oder wie gering ihr die Kunst schätzt und wie weit ihr verwandt mit der Kunst seid, hier in der Behandlung eurer Muttersprache. Erlangt ihr nicht soviel von euch, vor gewissen Worten und Wendungen unserer journalistischen Gewöhnung einen physischen Ekel zu empfinden, so gebt es nur auf, nach Bildung zu streben. ...<<

Friedrich Nietzsche schluszfolgert >>...Die Arbeitsteilung in der Wissenschaft strebt praktisch nach dem gleichem Ziele, nach dem hier und da die Religionen mit Bewusztsein streben: nach einer Verringerung der Bildung, ja nach einer Vernichtung derselben.  ....Jetzt sind wir bereits auf dem Punkte, dasz in allen allgemeinen fragen ernsthafter Natur, vor allem in den höchsten philosophischen Problemen der wissenschaftliche Mensch als solcher gar nicht mehr zu Worte kommt: wohingegen jene verbindende klebrige Schicht , die sich jetzt zwischen die Wissenschaften gelegt hat, die Journalistik, hier ihre Aufgabe zu erfüllen glaubt und sie nun ihrem Wesen gemäsz ausführt, das heiszt wie der Name sagt, als eine Tagelöhnerei."<<

Ich muszte ehrlich oft Tränen lassen, als ich das Buch las.

Dies sind nur Auszüge. Ein leises Klingen dieser lauten Worte aus einem ganzen Orchester von Worten einer wahrlich prächtigen, wahrhaften Komposition von Worten, Sätzen und Aufsätzen. 

Es ist schwer zu begreifen für mich, dasz vor hundertfünfzig Jahren jemand auf einem Stuhl sasz und diese aktivierenden Vorträge verfasste, welche er dann an der Universität Basel dem Publikum preisgab und doch dies keinerlei positive, im Sinne augenöffnende und zum Handeln bewegende Wirkung hatte.

Ganz im Gegenteil.

Schauen wir uns um - wo sind wir gelandet? Dort, wohin uns unser  Denken hingeleitet hat. Unser Denken, gesteuert durch unsere Sprache - unsrer Muttersprache - welche wir uns nehmen lieszen und laszen! Wir denken, was die Journalie, diese erbärmlichen Tagelöhner, uns zum Denken hinwerfen! Was tut ein Tagelöhner? Er singt das Lied dessen Brot er frisst! Was soll er auch sonst tun!? Er kann ja nichts anderes!

Wir müszen bei der Sprache anfangen - bei unsrer Sprache! Jedes Wort müszen wir kennen ehe wir damit denken und zwar in seiner unveränderten Form und Gestalt - nur dann ergibt es einen Sinn nur dann ist ein Gedanke in der Form produktiv, dasz die folgende Handlung oder Nichthandlung ein Korrektiv im Sinne des Kollektivs wird.

Und mir schwant, es ist zu spät. Viel zu spät. Die Menschen verstehen ihre Sprachen nicht mehr. Erneut kam es irgendwann in dieser Menschengeschichte zu einer Sprachverwirrung wie einst beim Turmbau zu Babel. Wie und warum konnte dies geschehen?

Immer schon, seit ich lesen kann, faszinieren mich Worte und deren Bedeutung.

Letztens las ich Heinrich Heines "Harzreise". Darin kam das Wort > schwindelicht< vor. Und es gingen viele Lichter in meinem Kopf an - dieses Wort brachte Licht ins Dunkel - das Wort > schwindlig < ergibt keinen Sinn! Was soll das sein? Dies musz einem erst erklärt werden - umständlich mit anderen Worten. Doch das Wort > schwindelicht<  erklärt sich von selbst, es trägt seine Bedeutung in sich.

Versteht man in etwa was ich meine?

Und so verhält es sich mit unsrer gesamten Sprache - sie sprach einst für sich - und war so eindeutig und klar, dasz man sich mit ihr unzweideutig ausdrücken konnte.

Lese ich meinen Jungs aus Büchern von Heinrich Heine, Hermann Hesse oder Hans Fallada vor, verstehen sie kein Wort. Es strengt sie an die deutsche Sprache zu hören. Und mich strengt es an ihre Sprache zu hören.

Das macht mich unendlich traurig, doch ich werde es demnächst mit "Emil und die Detektive" noch einmal versuchen. 

Ich hab als Kind schon in Büchern von Hesse, Fallada, Schiller und Heine und etlichen mehr gelesen.

Sicher nicht alles verstanden, dies holte ich als Erwachsene alles nach und nach auf.

Doch erst jetzt, wo ich die Bücher Nietzsches lese, oder besser studiere, diese Bücher kann man nicht einfach so weglesen, wenn man verstehen möchte was Herr Nietzsche uns, seiner Nachwelt, sagen, mitgeben möchte, erst jetzt begreife ich - wir haben unsre Sprache geopfert - unsre Liebe zu unsrer Sprache geopfert - für ein Sklavendasein - mit verbundenen Augen an Ketten gelegt und geknebelt - so nennt man Dasein- doch es fehlt das Erleben. Es ist schrecklich und nicht aufholbar.

Es ist zu spät!

Heute ist Tag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz!

Ihr Arbeitsplatzgeber! könnt mich mal!

Am sichersten ist es, wenn alle Arbeitsplätze abgeschafft werden, dann braucht man sich um die Sicherheit und die Gesundheit derer, die den Reichtum erwirtschaften sollen, von dem sie aber nichts abbekommen, auch keine Gedanken zu machen oder lächerliche Gedenktage ersinnen!

Ich ende mit einem Satz von Friedrich Nietzsche aus dem Buch "Menschliches, Allzumenschliches"

>>Aus dem Land der Menschenfresser. - In der Einsamkeit frisst sich der Einsame selbst auf, in der Vielsamkeit fressen ihn die vielen. Nun wähle.







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